Steigende Zinsen, strengere Regulierungen und nicht zuletzt der Klimawandel setzen die Immobilienbranche unter Druck. Nachhaltige Sanierungen und ESG-Reporting sind gefordert. Doch wie gelingt das effizient? Eine datenbasierte Herangehensweise liefert das Softwareunternehmen Predium.
Die Immobilienbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Regulatorische Anforderungen, steigende Finanzierungskosten und der Druck zur Nachhaltigkeit zwingen Bestandshalter, Banken und Investoren dazu, ihre Portfolios effizienter zu managen. Ein Unternehmen, das diesen Wandel aktiv gestaltet, ist Predium. Das Münchner Softwareunternehmen bietet eine ESG-Management-Plattform, die Bestandshaltern und Finanzinstituten hilft, ihre Immobilien nachhaltig und gewinnbringend zu verwalten.
Vom schmelzenden Gletscher zur Unternehmensgründung
Die Idee zu Predium entstand aus einer persönlichen Erfahrung heraus. Jens Thumm, Mitgründer und CEO des Unternehmens, schildert seine Initialzündung: „Ich war in der Everest-Region und habe mit eigenen Augen gesehen, wie dramatisch die Gletscher schmelzen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Ich wollte eine Lösung entwickeln, die es Unternehmen ermöglicht, kluge Investitionsentscheidungen für eine nachhaltigere Zukunft zu treffen.“ Gemeinsam mit seinen Mitgründern Maximilian Körner und Mohamed-Ali Razouane startete er dann 2021 Predium. Kennengelernt haben sie sich am Center for Digital Technology and Management (CDTM)1, einer der führenden Gründerschmieden Deutschlands.
Die Gründer führten zahlreiche Marktanalysen durch und erkannten schnell, dass der Gebäudesektor eine der größten CO2-Quellen weltweit ist – und dass dort eine Lösung dringend benötigt wurde. „Über ein Drittel der globalen CO2-Emissionen stammt aus dem Immobiliensektor. Trotzdem wurden Nachhaltigkeit und Klimaschutz in dieser Branche lange ignoriert. Unser Ziel ist es, das zu ändern“, so Thumm. Zu den Kunden von Predium zählen bereits namhafte Unternehmen wie die Deutsche Investment Gruppe, Colliers, Soravia, WBM und Baloise.
Warum die Immobilienbranche jetzt handeln muss
Die letzten zehn Jahre waren für Immobilieninvestoren eine goldene Dekade: niedrige Zinsen, steigende Immobilienpreise und hohe Renditen. Doch das Marktumfeld hat sich radikal verändert. Die Zinsen sind gestiegen, viele Gebäude haben an Wert verloren, und die regulatorischen Anforderungen der EU und der BaFin setzen Unternehmen unter Druck. „Wir beobachten eine Marktveränderung in zwei zentralen Bereichen“, erklärt Alexander Kiltz, Principal bei UVC Partners, einem der Investoren von Predium. „Zum einen ist die Zinspolitik restriktiver, was bedeutet, dass Immobilienbesitzer aktiver managen müssen, um ihre Assets rentabel zu halten. Zum anderen wächst der regulatorische Druck, insbesondere durch ESG-Vorgaben. Banken sind inzwischen verpflichtet, die Klimaauswirkungen ihrer Kreditportfolios offenzulegen, und Immobilienbesitzer müssen entsprechende Daten liefern.“ Viele Unternehmen, die zuvor Gebäude lediglich gehalten und später gewinnbringend verkauft haben, müssen jetzt erstmals aktiv Sanierungs- und Managementstrategien entwickeln. Der Markt für Transaktionen ist durch steigende Zinsen fast zum Erliegen gekommen, da Verkäufer nicht bereit sind, ihre Immobilien mit Verlust zu verkaufen.
Eine der größten Herausforderungen für Bestandshalter ist zudem die Verfügbarkeit und Qualität von Gebäudedaten. Viele Unternehmen haben ihre Informationen über Jahre in veralteten oder unstrukturierten Systemen gespeichert. „Wir treffen oft auf Unternehmen, die mehrere ERP-Systeme parallel nutzen, in denen jedoch nur ein Bruchteil der relevanten Daten erfasst ist“, erklärt Jens Thumm. Teilweise liegen Gebäudedaten sogar nur in physischen Archiven vor.
Ein zentrales Thema ist auch die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden. Viele ältere Gebäude – insbesondere aus den 1950er- und 1960er-Jahren – haben hohen Sanierungsbedarf. Neben kleineren Maßnahmen wie hydraulischem Abgleich und Fenstertausch erfordert eine umfassende Modernisierung oft hohe Investitionen in die Dämmung oder den Wechsel des Energieträgers. „Ein vollständiger Wechsel von Gas- oder Ölheizungen auf Wärmepumpen ist oft enorm kostspielig, eine neue Dämmung kostet pro Quadratmeter schnell vierstellige Beträge“, erklärt der Predium-CEO im Gespräch mit connect professional. Besonders bei der Fernwärme gibt es Herausforderungen: „Viele Unternehmen sind unsicher, ob sie sich langfristig an ein Fernwärmenetz anschließen sollen, weil sie dann von einem Anbieter abhängig sind und mögliche Preissteigerungen nicht kontrollieren können.“
Datenbasierte Entscheidungen für nachhaltige Sanierungen
Predium bietet eine Lösung für diese (Schmerz-)Punkte: eine Plattform, die Bestands- und Finanzierungsdaten analysiert, um Eigentümern präzise Handlungsempfehlungen zu geben. „Viele Immobilienbesitzer stehen vor der Herausforderung, ihre Gebäude klimafreundlicher zu machen, haben aber weder eine Datenbasis noch eine Strategie, welche Maßnahmen Priorität haben“, führt Jens Thumm an. Die Predium-Plattform erfasst Gebäudeinformationen aus Energieausweisen, Rechnungen, OpenStreetMap-Daten und Satellitenbildern und erstellt daraus digitale Zwillinge der Immobilien. So können Unternehmen auf einen Blick erkennen, welche Gebäude in ihrem Portfolio am dringendsten saniert werden müssen, wo Fördermittel genutzt werden können und welche Maßnahmen langfristig den größten Hebel zu mehr Nachhaltigkeit sowie die beste Rentabilität versprechen. „Unser System gibt eine klare Empfehlung, welche Maßnahmen sinnvoll sind und wann sie umgesetzt werden sollten. Dadurch helfen wir Unternehmen, ihr Kapital gezielt einzusetzen – sei es durch den Wechsel auf Wärmepumpen, Fassadendämmung oder die Optimierung der Gebäudetechnik“, so Thumm weiter.
Die erwähnten Fördermittel spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung, denn Sanierungen kosten viel Geld. Allerdings ist das Fördersystem in Deutschland komplex: Es gibt Programme auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, die sich ständig ändern. „Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre Investitionen langfristig zu planen, weil Fördertöpfe oft kurzfristig aufgebraucht oder angepasst werden“, so der Predium-CEO. Predium integriert Fördermöglichkeiten direkt in seine Plattform und aktualisiert diese bei Änderungen, sodass Nutzer sofort sehen können, welche Maßnahmen aktuell finanziell unterstützt werden. Allerdings bleibt die Antragstellung weiterhin aufwendig, da es keine zentralisierte Lösung gibt. „Hier sind wir auf die Politik angewiesen, um das System effizienter zu gestalten“, merkt Thumm an.
Die Münchner arbeiten zudem eng mit Ingenieurbüros und Beratungen zusammen, um Immobilienunternehmen umfassende Unterstützung zu bieten. „Wir kooperieren mit Experten, die unsere Lösung nutzen oder empfehlen, aber ohne Provisionsmodell“, erklärt Thumm. Auch Investoren wie Maximilian Viessmann bringen wertvolle Branchenkenntnisse ein.
Erfolgsfaktor ESG-Reporting
Ein weiteres zentrales Thema ist die Pflicht zur ESG-Berichterstattung. Die Europäische Union hat umfangreiche Regularien eingeführt, die Unternehmen zwingen, ihre Nachhaltigkeitskennzahlen offenzulegen (s. auch Infokasten anbei). Wer nicht compliant ist, riskiert nicht nur hohe Strafen, sondern auch Nachteile bei der Kreditvergabe. „Die größte Herausforderung für viele Unternehmen ist, dass sie schlicht nicht wissen, wie sie die geforderten ESG-Daten erheben sollen“, sagt Jens Thumm. „Bisher lief das oft so ab, dass Bankmitarbeiter und Immobilienverwalter wochenlang E-Mails hin- und herschicken, um herauszufinden, welche Daten benötigt werden. Unsere Lösung automatisiert diesen Prozess und liefert innerhalb weniger Sekunden eine fundierte Analyse.“ Diese Geschwindigkeit und Genauigkeit haben auch Investoren überzeugt. „Wir haben uns den Markt genau angesehen und festgestellt, dass Predium in puncto Datengenauigkeit und Schnelligkeit einen enormen Wettbewerbsvorteil hat“, bestätigt Alexander Kiltz von UVC Partners. Neben Kapital stellt der Investor dem Unternehmen auch Netzwerk-Unterstützung bereit und hilft bei der Vermittlung von möglichen neuen Kunden. „Viele Alternativlösungen brauchen Monate, um brauchbare Ergebnisse zu liefern. Predium schafft das in Sekunden“, so Kiltz.
Geschäftsmodell und Zukunftspläne
Predium hat sich schnell zu einem starken Anbieter in seinem Segment entwickelt. Mit über 60 Mitarbeitern in München und etablierten Investoren im Rücken ist das Unternehmen auf Wachstumskurs. „Wir haben gerade unsere Series-A- Finanzierungsrunde von 13 Millionen Euro abgeschlossen2 und planen, unser Produkt weiter auszubauen“, so Thumm. Ein Fokus für die kommenden Monate liegt auf der Portfolio-Optimierung: „Bisher optimieren wir stark auf Gebäudeebene. In Zukunft wollen wir auch ermöglichen, Investmententscheidungen auf Portfolioebene zu treffen. Das ist ein echter Gamechanger.“
Neben der Weiterentwicklung der Plattform arbeitet Predium auch an strategischen Partnerschaften mit Banken, Beratern und Immobilienfonds. „Unser Ziel ist es, Unternehmen nicht nur eine Software an die Hand zu geben, sondern eine echte Transformation in der Immobilienbranche zu ermöglichen“, erklärt der CEO.
ESG als Chance, nicht als Bürde
Während viele Unternehmen ESG-Reporting und nachhaltige Sanierung als zusätzliche Belastung empfinden, sieht Predium darin eine große Chance. „Die Zeiten, in denen Immobilien einfach nur gehalten und mit Gewinn verkauft wurden, sind vorbei. Wer jetzt gezielt investiert und seine Gebäude nachhaltig aufstellt, wird langfristig profitieren – sowohl finanziell als auch regulatorisch“, resümiert Thumm.
1 https://www.cdtm.com/
2 https://www.predium.de/resource/predium-erhalt-13-millionen-euro-series-a-finanzierung